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Rezension: "Marie-Charlotte" von Gerwalt - SZN-06052003
31.01.2013
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Gewerbliches

Rezension: "Marie-Charlotte" von Gerwalt

Dieser Roman erzählt die Geschichte der jungen Marie-Charlotte, Comtesse de Clermont, die sich abrupt ganz auf sich allein gestellt in den Wirren der französischen Revolution von 1789 findet.

Er ist gegliedert in fünf Abschnitte, nämlich den Prolog und vier Kapitel:
le moulin - die Mühle
le tigre blanc - der weiße Tiger
sur le vent - über den Wind
la bouche est bouclee - der Kreis
schließt sich

Zum Inhalt:

Der Prolog

stellt dem Leser Marie-Charlotte als junge Frau adeligen Standes vor, die überhaupt keine Ahnung hat, was im Jahr 1789 außerhalb ihrer eigenen Welt geschieht, d.h., welche sozialen Bedingungen und politischen Ereignisse zu den Wirren der Revolution in Frankreich führen.

Das Palais, in dem sie lebt, wird in diesen Tagen eines Abends abrupt von allen Bediensteten verlassen. Ihr Vater ist schon vor Wochen ohne Erklärung ins Ausland gereist, sie hat sich dazu keine Gedanken gemacht, eine nahe Beziehung zwischen beiden besteht nicht.

Marie-Charlotte fügt sich mit einer Art graziöser Gelassenheit in ihr Schicksal, die so charmant wie weltfremd zugleich anmutet: Sie flieht nicht etwa ihrerseits überstürzt aus dem Palais oder versteckt sich zumindest irgendwo, um sich vor den marodierenden Aufständischen auf den Straßen zu retten, sondern sucht stattdessen pragmatisch in den leeren Wirtschafträumen des Palais nach etwas Ess- und Trinkbarem und zieht sich zunächst einfach mit einem Rest von Wein und kaltem Braten in ihre Räume zurück. Es erfasst sie auch keine Panik, eher Neugier, als der Müller Pierre, in räuberischer Absicht eingedrungen in das Palais, ihr Boudoir betritt und sie mit seiner Pistole bedroht.

Sie übertölpelt ihn in dieser prekären Lage sozusagen mit sich selbst, erweist sich dabei als erotisch höchst gewandt und verhindert so, dass er ihr neben ihrem Schmuck auch das Leben nimmt.

Verwirrt- aber zugleich sehr angetan von ihren Verführungskünsten, verhilft er Marie, wie er sie kurz nennt, zur Flucht aus der Stadt und nimmt sie mit in seine Mühle, die weit außerhalb von Paris liegt und in der sie sich zunächst sicher vor der Revolution fühlt.


le moulin

ist das Kapitel, das von Marie-Charlottes Leben auf der Mühle erzählt.

Sie lernt im Haus des Müllers Pierre allerlei ihr zunächst völlig fremde aber alltagstaugliche Dinge wie Kochen oder putzen, geht ihm bei der Instandhaltung der Mühle zur Hand, und immer wieder erliegt er dabei ihren Reizen.

Als er sie aber zunehmend brutal behandelt und eines Abends sogar betrunken einem Kumpan zur Vergewaltigung überlässt, beschließt sie, zu fliehen. Während Pierres Abwesenheit sucht sie nach dem Versteck ihrer Juwelen und bereitet ihre Flucht sorgsam vor - was, wie der Leser schon weiß, auch dringend nötig. Denn eine ihr gefährliche neue Figur im Geschehen, den Jakobiner Giscard d`Attencourt, hat Gerwalt bereits über einen parallelen Erzählstrang in die Romanhandlung eingefügt. Dieser Attencourt hat sich, anders als viele seiner Gesinnungsgenossen, nicht schlicht die Ausrottung aller Angehörigen des Adels zum Ziel gesetzt, sondern besonders die der adeligen Frauen, da sie seiner Sichtweise nach über jede Mutterschaft in gewisser Weise ihren Stand erhalten könnten.
Dass sein Motiv dabei viel mehr ein religiöses, als ein politisches, ist nur denen seiner revolutionären Mitstreiter bekannt, die wie er Anhänger des sogen. "Mithras-Kultes" sind.

Über die Gedankengänge Attencourts skizziert Gerwalt Ideologie und Strukturelemente dieses Ordens, flicht immer wieder Einzelheiten hierzu in das Romangeschehen ein.

Die junge Marie-Charlotte, nichtahnend der Gefahr, die ihr durch diesen Mann droht, entkommt aus der Mühle mit ihrem Schmuck und kann sich durch den Verkauf eines der Stücke an einen Juwelier in einer nahen Kleinstadt bürgerlich einkleiden und ihre Flucht unauffällig entlang dem Fluss Oise fortsetzen. Sie nimmt hierzu den Namen ihrer Kammerzofe an, die ihr ähnlich sieht, nennt sich nun "Carinne Decrouix" und besteigt ein Flussschiff, mit dem sie Richtung der Seine-Mündung reist, in der Hoffnung, ihre Spuren auf dem Wasserweg wirksam zu verwischen und so den Revolutionären zu entkommen.

Auf dem Schiff trifft sie die vermögende Alice Crioult, Witwe eines Reeders, die ihre Bekanntschaft leutselig sucht und sie am Ende der gemeinsamen Reise in ihr Haus einlädt. Als Ehrengast zu einem prunkvollen abendlichen Bankett gebeten muss Marie-Charlotte plötzlich erkennen, dass die Bekanntschaft kein Zufall war, sondern sorgsam eingefädelt, und dass sie sich in diesem Haus in der Gewalt der Jakobiner befindet.

Sowohl Alice Crioult als auch ihre drei männlichen Begleiter vergehen sich darauf vielfach brutal an Marie-Charlotte, einer Fortsetzung der Qual durch Alice allein entkommt sie nur, indem sie diese mit der Kraft der Angst und Verzweiflung tötet. Zu Pferd gelingt ihr die Flucht, auch vor Attencourt, dessen Ankunft Alice ihren letzten Worten nach bereits erwartete. Er setzt erneut Häscher seines Ordens auf Marie-Charlotte an, denen es kurz darauf beinahe gelingt, sie beim nächsten Versuch, Teile ihres Schmuckes zu verkaufen, zu stellen. Sie erweist sich der Situation erstaunlich gewachsen, entkommt und erleidet auf wilder Flucht vor ihren Verfolgern in unwegsamem Waldgelände einen Sturz vom Pferd. Verletzt wird sie aufgefunden und in Sicherheit gebracht von Antoine, dem jungen Vicomte de Noaillè, einem Mitglied der Royalisten, die sich in der Vendée zum Aufstand gegen die Revolutionäre sammeln.


le tigre blanc

Anstelle von Marie-Charlotte gerät ihre Zofe Carinne in den Gewalt Attencourts, der in ihr der äußerlichen Ähnlichkeit halber die Comtesse gefunden zu haben wähnt. Er foltert die junge Frau mit anderen Anhängern des Mithras-Kultes auf das Grausamste. Als er schließlich erkennt, dass man nicht die Comtesse, sondern ihre Zofe seit Tagen und Stunden quält, heftet er sich erneut auf Marie-Charlottes Spur.

Der Vicomte de Noaillè lehrt Marie-Charlotte nicht nur das Degenfechten und Schießen und besteht gemeinsam mit ihr und seinen Getreuen einen Kampf gegen die Revolutionäre, die beiden erleben miteinander eine zarte, innige und leidenschaftliche Liebe, deren erotische Seite von Gerwalt im Sinne des chinesischen Tao sprachlich sehr hübsch und animierend gezeichnet wird. "le tigre blanc", die Überschrift des zweiten Kapitels, nimmt diese Szene schon leise vorweg. Doch ist den Liebenden kein Glück beschieden: Antoine stirbt durch einen heimtückischen Giftanschlag Attencourts und die tief trauernde Marie-Charlotte muss einen neuen Weg einschlagen.


sur le vent

erzählt als dritter Teil des Romans vom Erleben Marie-Charlottes auf dem Weg zu ihrem Vater, der sich auf einer Plantage in Guadeloupe aufhalten soll.

Sie reist dazu zunächst auf der "Hèloise", einem Handelsschiff auf dem Weg nach Westindien. Teil der Ladung sind junge farbige Männer, die an der Küste Afrikas gefangen wurden und in der Karibik als Sklaven verkauft werden sollen. Marie-Charlotte kann sich dem dunklen fremdartigen Reiz dieser Männer nicht entziehen und zu ihrer anfänglichen Neugier gesellt sich bald heftiges körperliches Begehren. Die "Heloise" wird von Piraten überfallen, deren Kapitän, Alain, Chevalier d‘ Etallonde, Marie-Charlotte zunächst zu seiner eigenen erotischen Beute macht, bevor er sie wider gegebenes Ehrenwort der Benutzung durch seine Mannschaft überläßt. Marie-Charlotte verbringt etliche Wochen nackt angekettet als Sklavin der Piraten im Bug des Schiffes, bis ihr schließlich Estelle, eine ältere Mitgefangene, während eines Landgangs der Mannschaft zur Flucht verhilft und sie in einem Gasthaus in Sicherheit bringt.

Nach ihrer körperlichen Genesung macht sich Marie-Charlotte erneut nach Guadeloupe zum Haus ihres Vaters auf.

Der Comte de Clermont empfängt seine Tochter kühl, und enttäuscht kehrt Marie-Charlotte ihm und der Plantage den Rücken. Auf ihrem Weg zu Fuß in die nächste Stadt wird sie von einer elegant gekleideten dunkelhäutigen Frau in einer Kutsche eingeholt und nimmt deren Gastfreundschaft erschöpft an. Marie-Charlotte ahnt nicht, dass sie hier Amelie, der souveränen Geliebten ihres Vaters, begegnet ist.

Die beiden Frauen kommen sich auch erotisch nahe, und nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht gesteht Amelie der daraufhin zunächst verletzten und zornigen Marie Charlotte ihre besondere Beziehung zu deren Vater. Bei ihrer Rückkehr von einem Ausflug treffen Marie-Charlotte und ihre neue Vertraute in deren Haus den Comte an, der seiner Tochter nun liebevoll begegnet. Gemeinsam kehren sie zurück zur Plantage, und in den folgenden Tagen lernen Vater und Tochter einander allmählich wirklich kennen. Marie-Charlotte macht kein Hehl aus ihrer Abneigung gegenüber Sklaverei und Sklavenhandel, aus denen auch der Comte seinen Nutzen zieht. Bei einem abendlichen Mahl erfährt sie, dass ihr Vater eine Schiffsladung Sklaven erwarte, die ihm von einem gewissen Chevalier d‘ Etallonde, übergeben würden. Da berichtet sie von den langen Wochen ihrer Gefangenschaft auf dem Schiff des Chevalier und bekundet, dennoch ein weiteres Mal mit diesem Mann in See stechen zu wollen. Der von ihrem Erleben erschütterte Comte ist einverstanden, stellt ihr nun aber zu ihrem Schutz Diego zur Seite, seinen hünenhaften schwarzen Diener, der sie in den kommenden Tagen intensiv in verschiedenen Disziplinen der Kampfkunst schult.

Die Wiederbegegnung mit Alain d‘ Etallonde anlässlich des abendlichen Banketts verläuft so, wie Marie-Charlotte es erwartet und heimlich ersehnt hat. Nachdem er sich im dunklen Garten grob an ihr befriedigt hat, eröffnet sie ihm zu seiner Verblüffung ihren Entschluss, noch einmal an Bord der "Belle" zu reisen.

Als sie anderntags in seiner und der Gesellschaft Diegos wieder das Schiff betritt, wollen zunächst weder der Chevalier noch seine Mannschaft wahrhaben, wie grundlegend anders die Lage nun ist. Doch werden sie rasch eines Besseren belehrt: Mit Diego als Schutz lehrt Marie-Charlotte fechtend, messerwerfend und schießend die Piraten einen widerwilligen Respekt. Nach siegreichem Gefecht der Mannschaft Alains gegen die eines zuvor gekaperten holländischen Handelsschiffes tötet sie ihn im Kampf mit ihrem Degen und übernimmt das Kommando über die "Belle".


la bouche est bouclee

Als Eignerin des berüchtigten Piratenschiffs erregt Marie-Charlotte im Hafen von Santo Domingo die Aufmerksamkeit des Befehlshabers der englischen Korvette "Retribution", die dort gleichfalls vor Anker liegt. Aufgabe von Sir Arthur Pittsworth ist es, gegen die Piraterie auf See vorzugehen. Beim Zusammentreffen in einem Gasthaus stellt er sich Marie-Charlotte vor und gibt ihr bei ihrem späteren Besuch auf seinem Schiff in einer Kammer am Achterdeck deutlich und drastisch seine Absicht zu verstehen, sie und die "Belle" zu vernichten, sollte er beiden noch einmal begegnen. Marie-Charlotte erlebt durch ihn ihre erste Züchtigung mit dem Rohrstock und, während er sie zugleich mit einem Strick würgt, im Orgasmus eine Ahnung, wie die Hinrichtung durch den Strang sich anfühlen mag.

Zurück auf ihrem Schiff ist sie entschlossen eine weitere Begegnung mit dem Engländer zu vermeiden und daher die Piraterie mit der "Belle" aufzugeben.

Die Besatzung trifft ihre Entscheidung aber nicht zugunsten der Idee des Tee-, sondern der des lukrativeren Sklavenhandels. Da die Situation für sie und Diego nun leise bedrohlich wird, verlässt Marie-Charlotte mit ihm auf einem Rettungsboot die "Belle", und versenkt diese danach durch eine zuvor unbemerkt gelegte Sprengladung.

Zurück im Haus ihres Vaters beginnt sie, die jungen Sklaven, die einmal mit ihr gemeinsam auf der "Heloise" in die Karibik kamen und an ihren Vater verkauft wurden, die französische Sprache zu lehren. Mit dem Unterricht gewinnt sie ihre Zuneigung, und ein nächtliches Fest am Strand, mit Musik, Tanz, schwelgerischer Erotik und viel Rum, hinterlässt sein besonderes Zeichen bei Marie-Charlotte: Sie erwartet ein Kind, ohne dessen Vater wirklich nennen zu können.

Durch das Vertrauen und die Zuneigung der Sklaven zu Marie-Charlotte stehen der Familie de Clermont auch nach der Abschaffung der Sklaverei auf Guadeloupe freiwillige Arbeitskräfte zur Verfügung, die sie zunächst auch gegen marodierend und plündernd umherziehende ehemalige Sklaven schützen und verteidigen können. Als die Situation dennoch unhaltbar wird, kehrt die Familie nach Frankreich zurück und bezieht das Chateau de la Barge, ein Besitztum in der Auvergne. Der erbitterte alte Feind der Comtesse weiß seiner Spitzel wegen bald davon: Giscard d‘ Attencourt heftet sich heimlich erneut an Marie-Charlottes Fersen und kommt ihr dabei gefährlich nahe, doch sein endgültiger Anschlag missglückt nicht nur, er bezahlt ihn mit dem Leben.

Marie-Charlotte, deren kleine Tochter Julie ihrer dunklen Hautfarbe wegen vorerst als Kind Amelies ausgegeben wird, hat indessen die Bekanntschaft Henris, des Chevalier de Mascon, gemacht. Er ist ein Nachbar, die beiden verbringen zunehmend ihre Zeit gemeinsam, bestehen dabei manche Gefahr und verlieben sich ineinander. Schließlich bietet Henri der Comtesse Herz und Hand - und seine Gerte, sinnbildlich wie real, denn ihre devote erotische Neigung wird von ihm passend erwidert. Julie, die er als ihre Tochter erkannt und angenommen hat, darf künftig bei ihrer Mutter und ihm leben, damit findet ein Herzenswunsch Marie-Charlottes seine Erfüllung. Und so schließt sich er sich, der Kreis.


Rezension:

"Marie-Charlotte" ist der dritte einbändige Roman Gerwalts, dessen besondere Spezialität Sujets aus vergangenen Zeiten oder fremdartigen Gesellschaften sind. Er erzählt Geschichten, die durch seine sorgsame historische wie geographische Recherche stets realistisch wirken, und nie abgehoben oder mühsam konstruiert. Seine Protagonistinnen zeichnet er als anziehende starke Frauen, die ihren Weg trotz allerhand gefährlicher oder widriger Umstände zu gehen wissen.

So trifft es auch auf die junge Comtesse zu, deren Odyssee auf dem Weg zu ihrem Vater (und zu sich selbst) der Autor überaus spannend, oft sehr anregend und zuweilen anrührend erzählt. Dass ihr, wie allen seinen Heldinnen, bei Bewältigung der widrigen Umstände besondere Männer zur Seite oder im Wege stehen, liegt in der (oder Gerwalts?) Natur der Dinge.

Hier finden sich da also Pierre, der Müller, den man als Leserin in der ihm vom Autor verliehenen eher bäuerlichen Art und Weise anfänglich durchaus reizvoll finden kann, der tapfere Vicomte de Noaillè, dessen wunderbaren Redefluss in einer gewissen Liebesszene Gerwalt seine Marie-Charlotte in anmutiger Weise erwidern lässt, während die beiden einander raffiniert zum Höhepunkt treiben, der schöne böse Chevalier de d‘ Etallonde, dessen erotischer Anziehungskraft sich die Heldin trotz seiner gewalttätigen Art und verächtlichen Attitüde nicht wirklich entziehen kann, der Comte, zunächst eine Art "Unfigur", als Vater, der seine leibliche Tochter in der Gefahr allein lässt, und der dann doch an Format gewinnt – und zuletzt Henri, Chevalier de Mascon, ein wenig weniger brillant, als die anderen jungen Herren, aber doch der, der Marie-Charlottes Herz endgültig erobern kann. Und dann, immer zugegen, die Schattengestalt, der sie nie wirklich begegnet, der unheimliche Verfolger der jungen Comtesse, Giscard d`Attencourt…


Gerwalts Stil und Sprache sind auch in diesem Buch fesselnd, die Erzählung hat Tempo und hält inne, kommt leichtfüßig, gedehnt oder rasant daher, je nachdem, ob ein Geschehen behutsam oder liebevoll oder vielleicht sogar lüstern gezeichnet wird.

Eine leise Affinität zur Erotik unter Frauen hat der Autor vielleicht, denn auch diese kommt hier beileibe nicht zu kurz.

Reale historische Hintergründe der Zeit, in der er seine Geschichte angesiedelt hat, flicht Gerwalt wieder gekonnt ein und schmückt sie glaubwürdig aus. Ein gewisses Schwelgen in Titeln wird eben der Zeit gerecht, von der er erzählt: Nicht allein Kleider, auch Namen mach(t)en Leute. Dass manche derer dem Leser tatsächlich historisch bekannt, erhöht der Erzählung Authentizität.

Spannend sind die Erläuterungen zum seltsamen Mithras-Kult, dessen Regeln und Ziele das Handeln Attencourts und seiner Anhänger bestimmen, und sehr hübsch ist am Ende - wie ein Praliné aus der kleinen Comtesse Bonbonnière - die spielerisch gesetzte familiäre Verbindung des Henri, Chevalier de Mascon, zu einem gewissen Onkel mit Vornamen Alphonse Donatien, dessen besonderes Gedankengut er bei seinem Heiratsantrag an Marie-Charlotte gern zu teilen bekennt…

Man liest diesen Roman gern und folgt willig bis fasziniert den Fäden, die der Autor um das Geschehen herum spinnt - auch wenn- oder gerade, weil es zuweilen in einer Ausführlichkeit geschieht, die in diesem Genre eher ungewöhnlich.

Der einzige Punkt des Aneckens ist für mich das vom Marterpfahl-Verlag gewählte Cover, ein recht plakatives BDSM-Kostüm-Szenario. Ich selbst hatte für die Rezension eine "Autoren-Ausgabe" zur Hand, deren Deckel das Foto einer schönen kleinen Statue mit verhülltem Haupt in Sepia ziert. Passend und passender, zum Stil der Erzählung. Mercì, Gerwalt.

Fazit: Leseempfehlung!

© Rezension: die Seine

© Coverfoto: Marterpfahl Verlag



Bezugsinformationen:
Taschenbuch, 233 Seiten,
Verlag: Marterpfahl; Auflage: 1., Aufl. (1. August 2012)
ISBN-10: 3936708959
ISBN-13: 978-3936708950
Preis: 18,80 €

Der Inhalt dieses Artikels gibt lediglich die Meinung und Ansicht des Autors wieder und muss mit der Meinung der Sklavenzentrale nicht unbedingt übereinstimmen.