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Verschiedenes - SZN-116927
Trans ist nicht gleich Trans - SZN-QUAIDSANGEL
27.06.2006
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Verschiedenes


Trans ist nicht gleich Trans


Prolog – Die Philosophie einer Silbe

Es gibt viele Begriffe, die mit der Vorsilbe "Trans" beginnen. Transsilvanien, Transrapid, Transport, Transponder, Transition, Transaktion, und noch viele andere mehr. All diese "Trans" haben eines gemeinsam: sie implizieren einen Bewegungszustand, der durch, quer, jenseits oder hinüber verläuft und sich auf zwei variable Punkte A und B bezieht.

Der Trans-African-Highway ist eine Straßenverbindung zwischen Mombasa und Lagos. Über 6.300 Kilometer Strecke, bestehend aus vielen einzelnen Straßen, die aneinandergereiht und als Ganzes einen Weg ergeben, der vom Indischen Ozean zum Atlantik führt.

Auch in der Sprachwelt der Sexualität gibt es das Trans, und dort weist es ebenfalls auf einen Zustand hin, der sich jenseits eines einzigen Geschlechtes bewegt. Als "Oberbegriff" sehe ich für mich den des Transgenders – ein Mensch dessen Geschlechtsempfinden nicht mit seinen körperlichen Geschlechtsmerkmalen übereinstimmt oder der das Bedürfnis hat, äußerlich in die Rolle des jeweils anderen Geschlechtes zu schlüpfen.


Das eigentliche Drama – Das große Missverständnis

In der großen "Schublade" mit dem Etikett "Transgender" finden sich die Transvestiten und die Transsexuellen. So mancher Unbedarfte kommt da auf den Gedanken, das Eine mit dem Anderen in einen Topf zu werfen, durcheinander zu bringen… und miteinander zu verwechseln. Derjenige, den es nicht betrifft, gerät leicht in Versuchung, nur das Offensichtliche zu bemerken und auf eine weitere, tiefergehende Unterscheidung zu verzichten. Das auf den ersten Blick Offensichtliche sind dann das Trans und die vermeintliche Vorliebe für das Schlüpfen in die äußeren Merkmale eines Geschlechtes, das augenscheinlich nicht das ursprüngliche eigene ist.

Ja, Transvestit und Transsexuelle/r sind zwei Begriffe, die beide mit der Vorsilbe "Trans" beginnen und offensichtlich irgendetwas mit Leuten zu tun haben, die Kleidung des jeweils anderen Geschlechtes tragen, sich also jenseits eines einzigen Geschlechtes bewegen. So denken zumindest viele, die sich noch niemals mit dieser Materie beschäftigt oder auseinandergesetzt haben. So ist es denn kein Wunder, wenn der Eine oder Andere, das eine mit dem anderen verwechselt oder gar den Rückschluss zieht, dass Transsexuelle und Transvestiten mehr oder weniger dasselbe seien, machen sie doch ungefähr das Gleiche. Aber dies anzunehmen, ist schlichtweg falsch.

Ein Transvestit ist ein Mensch, der gerne die "typische" Kleidung des anderen Geschlechtes trägt. Ob er dies nun "immer" tut, nur im privaten Rahmen oder auf der Bühne, er bleibt stets jemand, der innerlich zu seinem eigenen Geschlecht "steht". Auch die sexuelle Neigung bleibt davon unberührt, ein Transvestit kann hetero-, bi- oder homosexuell sein, "Vanilla" oder BDSMer…, dennoch ist es immer ein Mann oder eine Frau mit Freude am Tragen von Frauen bzw. Männerkleidung sowie dem "passenden" Drumherum.

Die wohl bekanntesten Transvestiten sind Mary & Gordy oder auch Dame Edna Divine. Männer, die sich als Frauen "verkleiden", aus einem wie auch immer gearteten Bedürfnis heraus. Mal in Alltagskleidung (wie beispielsweise Dame Edna in einer Gastrolle bei "Ally Mac Beal), mal in Glanz und Glamour auf der Bühne einer Travestieshow - jedoch im Bewusstsein, physisch ein Mann zu sein und die "Frau" jederzeit wieder ablegen zu können.

Ob jedoch dieses Bewusstsein um die physische Existenz als Mann oder Frau bei einem Transvestiten auch auf innere Gegenliebe und Akzeptanz stößt, ist eine ganz andere Sache. Die Gründe und Motive, warum ein Transvestit ein Transvestit ist, sich als solcher manifestiert, können so weit auseinander liegen wie die Gemeinsamkeiten zwischen Transsilvanien und einem Transrapid. Aber – beides fängt mit Trans an und der Transrapid könnte ein Mittel sein, um sich vom einen Ende Transsilvaniens zum anderen hin zu transportieren. Hinter dieser Metapher steckt mehr als nur ein Wortspiel, denn sie weist in meinen Augen darauf hin, dass Transvestismus oder Travestie auch Etappen sein können, auf dem Weg von A nach B. So mag der eine vielleicht "nur" Spaß und Freude daran haben, sich zwischen zwei Geschlechtern zu bewegen, die Optionen beider Geschlechter für sich zu nutzen, ohne jedoch die Absicht oder den Wunsch zu hegen, das eigene Geschlecht völlig aufgeben zu wollen…, während ein anderer sich im eigenen Körper und im angeborenen sozialen Geschlecht am falschen Platz und verkehrt vorkommt und die Travestie als eine erste Möglichkeit betrachtet, zumindest temporär in eine äußerliche Hülle zu schlüpfen, die innerlich als die eigentlich richtige empfunden wird.

Eine/e Transsexuelle/r ist kein Transvestit, der sich, aus welchen Gründen auch immer, der Option bedient, sein physisches Geschlecht zeitweise oder dauerhaft durch Kleidungs- und Verhaltensattribute nach außen hin zu ändern. Während Transvestismus an sich erst einmal keinerlei Rückschluss auf die Motive und Ursachen zulässt, warum ein Transvestit die Kleidung oder Attitüden des anderen Geschlechtes für sich übernimmt, so handelt es sich bei einem Transsexuellen um einen Menschen der, einfach formuliert, im "falschen Körper" geboren wurde, sich also schlichtweg in seinem Innersten nicht dem Geschlecht zugehörig fühlt, dessen äußerliche Merkmale er trägt. Ein/e Transsexuelle/r verkleidet sich nicht (nur) als Mann oder Frau, er oder sie IST psychisch ein Mann oder eine Frau, nur eben physisch im Körper des anderen Geschlechtes gefangen.

Dies kann mit der Zeit zu einem enormen Leidensdruck führen, weil "Seele" und Empfindungen einfach nicht zu dem passen, was das Äußere zu suggerieren versucht und das Umfeld an geschlechtstypischem Verhalten erwartet. So bleibt vielen Transsexuellen irgendwann einmal nur noch der Weg, das innere Empfinden auch nach außen hin umzusetzen, mit der Hoffnung und dem Wunsch verbunden, auch vom Umfeld ausschließlich als Angehörige/r des Geschlechtes wahrgenommen und akzeptiert zu werden, dem sie sich innerlich zugehörig fühlen.

Dazu eine sehr persönliche Stellungnahme einer transsexuellen Userin der Sklavenzentrale:


"Transvestiten mit Transsexuellen in den gleichen Topf werfen zu wollen, ist ein Irrtum, zu dessen Aufklärung ich hier gern einen Beitrag leisten möchte. Als Transsexuelle begreife ich mich bitte sehr als Frau, deren Unglück darin besteht, grundsätzlich im falschen Leben gelandet zu sein, nämlich in dem eines Mannes.

Nahezu die Hälfte meiner zu erwartenden Lebensspanne habe ich in dieser Persönlichkeit verbracht, nur um festzustellen, dass alle möglichen Verhaltensweisen meiner augenscheinlich männlichen Artgenossen mir gänzlich unverständlich sind und ich sie lediglich imitiert habe, um irgendwie zurecht zu kommen.

Mittlerweile schlauer geworden, stand eines Tages eben der Entschluss fest, diesen "Irrtum der Natur" zu korrigieren. Das bedeutet einen enormen Aufwand an ärztlichen Untersuchungen, Ärger mit der Krankenkasse und dem Amtsgericht sowie Arbeitgeber, Familie und in etwa dem Rest der Welt…

Meine Motivation für all diese Strapazen ist einfach das sexuelle Körperempfinden. Das bedeutet, weibliche Empfindungen nicht nur zulassen, sondern eben auch ein entsprechendes Leben führen und, soweit möglich, körperliche "Mängel" zu korrigieren, um wie eine Frau auszusehen, als die ich mich fühle.

Dies alles hat nicht viel mit Sex zu tun. Mein Wunsch ist es halt, ein ganz normales Leben zu führen – aber in einem Körper, der meiner Persönlichkeit entspricht. Dazu gehört (leider) auch die Bereitschaft, die möglichen gesellschaftlichen Nachteile dieser Entscheidung in Kauf zu nehmen. Ich möchte einfach nur ich selbst sein dürfen. Außerhalb der BDSM-Szene bin ich nicht Needfull Thinks, sondern nur die Frau Soundso von nebenan und ich freue mich sehr, wenn mein Nachbar, meine Kollegen oder der Busfahrer es genauso sehen. Unauffälligkeit ist mir im Alltag und in meinem beruflichen Umfeld sehr wichtig."

needfull thinks




Epilog – Schlussworte aus einer externen Sicht

Wie die Travestie hat auch die Transsexualität meines Erachtens nichts mit der sexuellen Ausrichtung zu tun und auch nichts mit sexuellen Neigungen und Vorlieben. Es können zwar Schnittpunkte zu BDSM existieren, müssen es aber nicht.

Da wir uns in einer großen, wenn nicht gar der größten deutschsprachigen BDSM-Community befinden, haben wir auch Transvestiten und Transsexuelle in unserer Mitte. Diskussionen im Forum haben gezeigt, dass es sowohl den Transvestiten als auch den transsexuellen Mitgliedern der Sklavenzentrale wichtig ist, dass die Begrifflichkeiten korrekt verwendet werden und nicht ein TV mit einem TS verwechselt oder gar in einen Topf geworfen wird. Dabei zu helfen, dies künftig zu vermeiden, ist der Zweck dieses Artikels.

Die Gefühlswelt kann ich nicht erfassen und auch nicht die vielen, unterschiedlichen Empfindungen oder Motive, die einen Transvestiten von einem Transsexuellen unterscheiden mögen. Daher lasse ich auch tunlichst die Finger davon, als Nicht-Betroffene anderen Nicht-Betroffenen erklären zu wollen, was es damit genau auf sich haben könnte. Also habe ich mich lediglich auf definitorische Unterschiede beschränkt und auf vermeintlich offensichtliche Gemeinsamkeiten, die sich bei näherer Betrachtung allenfalls als Parallelen erweisen.

Denn, abgesehen von der Parallele in Bezug auf das Tragen von Kleidung des jeweils anderen Geschlechtes, sehe ich nur eine wesentliche Gemeinsamkeit: Sowohl Transvestiten als auch Transsexuelle haben es durch ihr "Anderssein" und den sich daraus ergebenden Konsequenzen wohl ungleich schwerer, einen passenden Sex- oder Lebenspartner zu finden als jene Menschen, die innerlich und äußerlich in die Norm ihres jeweiligen Umfeldes passen.

Aber das haben wir wohl alle hier miteinander gemein, egal, was wir sind, allein schon aufgrund unserer Affinität zu BDSM.

© ungezähmte


Meinen besonderen Dank an needfull thinks für den Einblick in ihre Gedankenwelt.

Der Inhalt dieses Artikels gibt lediglich die Meinung und Ansicht des Autors wieder und muss mit der Meinung der Sklavenzentrale nicht unbedingt übereinstimmen.