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BDSM-Kongress 2007 - Nachlese - SZN-156544
12.07.2007
ONLINE-MAGAZIN
Reportagen


Nachlese BDSM-Kongress 2007

Die Szenerie täuscht auf den ersten Blick: ein mittelalterliches Gemäuer, knapp 70 überwiegend schwarz gekleidete Menschen, 70 müde Augenpaare. Langsam und schleichend bewegt sich die Gruppe durch die Flure. Was auf den ersten Blick nach einem Wave-Abend oder den Dreharbeiten zu einem Gruselfilm aussieht, war in Wirklichkeit die Endphase des vierten BDSM-Kongresses, der Anfang Juni im Schloss Buchenau in der Nähe von Fulda stattfand.

„Also ich bin randvoll mit Informationen und muss das alles erst einmal verarbeiten“, klagte ein Teilnehmer des Kongresses im Scherz. Eigentlich war das eher ein verklausuliertes Lob für die Fülle an Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden dieses Treffens von SM- und Fetischgruppen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Immerhin gab es an knapp zwei Tagen 13 Workshops. Themen waren z.B. CSD-Beteiligungen von SM-Gruppen, der Sinn von Online-Portalen und Sicherheitstipps zu SM-Praktiken. Der rege Austausch der Teilnehmer – teilweise bis in die frühen Morgenstunden - wurde sicher auch durch das mittelalterliche Ambiente des Schlosses und die ungezwungene Atmosphäre unterstützt.

Die Teilnehmerliste des BDSM-Kongresses liest sich wie das „Who is Who“ der deutschsprachigen Fetisch- und SM-Szene. Die Vertreter der Gruppen und Initiativen reisten aus allen Teilen des deutschsprachigen Raums an, auch der Altersdurchschnitt variierte stark von Mitte Zwanzig bis in die Sechziger. So entstand ein bunter Querschnitt der Szene mit sehr verschiedenen Meinungen, Interessen und Richtungen. Den organisatorischen Rahmen des Kongresses stellte in diesem Jahr die Bundesvereinigung Sadomasochismus e.V. (BVSM).

Arbeitskreis Forschung gegründet

Eines der wesentlichen Ergebnisse des diesjährigen BDSM-Kongresses war die Gründung eines Arbeitskreises SM & Forschung. Die Initiative entstand aufgrund eines ausführlichen Berichtes über die wissenschaftliche Tagung der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS), die sich dem Thema „Lust und Schmerz - sadomasochistische Perspektiven“ auseinandersetzte. Die Zielsetzung des neuen Arbeitskreises ist die Förderung wissenschaftlicher Arbeiten zum Thema BDSM. Diese soll durch die Kooperation mit wissenschaftlichen Vereinigungen und Forschungseinrichtungen erreicht werden, zusätzlich werden eigene Forschungen angestrebt. Da wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Thema Sadomasochismus in der Vergangenheit häufig mehr von therapeutischen Konzepten, verzerrten Stichproben und einem generellen Unverständnis geprägt gewesen seien, will der „Arbeitskreis Forschung“ Arbeiten unterstützen, deren Basis statt willkürlicher Vorurteile reproduzierbare Daten sind. Die ICD-Diagnose zu Fetisch und Sadomasochismus sei völlig veraltet und im besten Falle überflüssig. Im schlimmsten Falle könne sie dazu dienen, eine Minderheit in der Gesellschaft zu diskriminieren.

Der Arbeitskreis befindet sich noch in der Gründungsphase, Kontaktmöglichkeiten gibt es auf der Website von www.haworthpress.com/web/JH

SM-Filmnacht und „The Gay Leatherman“

Ebenfalls erwähnenswerter - wenn auch inoffizieller - Höhepunkt des Kongresses war die SM-Filmnacht und die Vorführung des Films „The Gay Leatherman“. Der kurze und absolut sehenswerte Dokumentarfilm entstand im Rahmen einer Abschlussarbeit einer norwegischen Filmhochschule. Gezeigt wird eine Periode im Leben eines homosexuellen SMers, in der der unbeschwerte Protagonist im Vollgummi-Outfit einen öffentlichen Park unsicher macht oder Schabernack mit dem Wachpersonal eines Schlosses treibt.

Liebevoll und einfühlsam wird aber auch geschildert, welche kleinen Nöte und praktischen Problemchen Fetischisten haben – beispielsweise beim Anziehen eines solchen Gummi-anzugs oder bei einer internen Diskussion mit Aktivisten. Der Film bekam an diesem Abend Standing Ovations wegen seiner ausgewogenen Mischung aus einfühlsamer Dokumentation, Situationskomik, unerwarteten Wendungen und Darstellung einer intensiven SM-Session.

Auch der Rest der Filmnacht kam insgesamt gut an. An dieser Stelle sei den deutschen Verleihern von „Verfolgt“, „The Pet – Die Sklavin“ und „24/7-The Passion of Life“ gedankt für die Gewährung der kostenlosen Aufführungsrechte beim BDSM-Kongress.

Auch 2009 wird es wieder einen Kongress geben

Der zweijährige Veranstaltungszyklus ist Bestandteil der langen Tradition des BDSM-Kongresses. Auch im Jahr 2009 soll der Kongress für die SM- und Fetisch-Gruppen aus Deutschland, Österreich, Schweiz und den Niederlanden stattfinden. Die Bundesvereinigung Sadomasochismus e.V. ist nach einem Beschluss der Mitgliederversammlung erneut bereit, die Organisation und das finanzielle Risiko zu übernehmen.

© nutello

Der Inhalt dieses Artikels gibt lediglich die Meinung und Ansicht des Autors wieder und muss mit der Meinung der Sklavenzentrale nicht unbedingt übereinstimmen.