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Buffalo Bill - SZN-245130
04.08.2012
ONLINE-MAGAZIN
Literatur/Lyrik


Buffalo Bill

Du kannst gucken!“ – „Oh Gott, kennst Du kein Erbarmen?“

„Ta-taaaa!“ Ein schmaler Spalt des Vorhangs öffnet sich und gibt den Blick auf ein schlankes Bein frei, bekleidet von zart schimmernden, halterlosen Strümpfen. Der schmale Fuß steckt in schlichten, eleganten Pumps. Das Bein wippt ein paar Mal verführerisch auf und ab und ich halte die Luft an, bereits ahnend, was da kommt. Mit einer schwungvollen Bewegung öffnet sie vollends die Kabine: Auftritt Pia. Wie eine Königin schreitet sie erhobenen Hauptes auf mich zu, mit wiegenden Schritten, die linke Hand in die Hüfte gestützt. Ich schlage die Hände vor den Mund, um nicht herauszuprusten. Pia trägt ein bodenlanges Kleid, das scheußlichste, was ich je gesehen habe: Ein Rock aus schwarzem Samt, der schwer zu Boden fällt. Das Oberteil sieht aus wie irgendein Relikt aus den Achtzigern, mit rundem Ausschnitt, massiven Schulterpolstern und dazu aus irgendeinem schwarz glänzenden Material gewirkt. Als ob das noch nicht genug wäre, ist es über und über mit riesigen Blumen aus bunten Pailletten verziert. Das violette Licht der Leuchtstoffröhren lässt sie armselig vor sich hin schimmern. Ungeachtet des schauderhaften Kleides baut sich Pia majestätisch vor mir auf, wedelt ein paar Mal mit der Hand und näselt: „Huldige mir“. Aus! Um meine Beherrschung ist es geschehen, ich bekomme einen fürchterlichen Lachanfall und Pia verzieht sich kichernd in die Kabine.

Pia ist schön, nicht wie Madame Schiffer, sondern auf eine umwerfend natürliche Art und Weise. Sie ist groß, schlank und sehr weiblich, trägt das lange blonde Haar oft zu einem losen Knoten aufgesteckt. Ein dezentes Make-up betont ihre strahlenden Augen, ihr Gang ist weich und wiegend. Männer drehen sich nach ihr um. Und doch ist sie sich nicht dafür zu schade, sich auf solche Art und Weise zum Kasper zu machen. Ihre Showeinlagen in den Umkleiden sind legendär und haben schon so manche Verkäuferin zur Verzweiflung getrieben. Wer am meisten über sie lacht, ist sie selbst.

„H & M?!“ Mir tun die Füße weh. Aber gut. Immerhin war es meine Idee gewesen, einmal wieder einen ganzen Nachmittag shoppen zu gehen, so wie damals. Wir kennen uns seit Ende der Schulzeit, aber solch sorglose Stunden sind sehr selten geworden, sind Beruf und unzähligen Verpflichtungen gewichen. Lachend und schwatzend entern wir das Kaufhaus, durchstöbern die Ständer und Regale, suchen, probieren und verwerfen, werden schließlich fündig, warten unter Scharen kichernder Teenies darauf, endlich bezahlen zu können, um wieder hinaus in die Sonne zu gelangen. Jemand hält mir die Tür auf, sieht mich an, einen Moment zu lang, ich bedanke mich höflich, er blickt zur Seite und wir sind auch schon weg.

Der gläserne Fahrstuhl bringt uns in die oberste Etage der Zeilgalerie. Wir schlendern die Rampe hinunter, von Lädchen zu Lädchen, drücken uns die Nase an den Schaufenstern platt. Schnell zwei Bällchen Eis im Gehen, es geht weiter nach unten, durch die Glastür hinaus auf die Zeil. Vor der Tür steht der Typ von eben, ich erkenne ihn an der hellen Jacke. Er sieht mich unverwandt an. Erschrocken blicke ich an mir herunter, ob wohl von dem Eis auf mein Revers getropft sei, doch davon ist nichts zu sehen.

In den Schuhladen gegenüber möchte ich jetzt eigentlich nicht mehr, aber Pia ist wild entschlossen, sich neue Sandaletten zu kaufen. Ich mag ihr den Spaß auch nicht nehmen. Als wir den Laden verlassen, steht schräg gegenüber der Typ mit der hellen Jacke. Ein Anflug von Missmut kommt auf. Was will der? Er steht dort völlig regungslos, wirkt etwas unbeholfen, die Arme baumeln links und rechts an seinem Körper herunter, er starrt einfach nur in unsere Richtung. Wir gehen weiter, ich drehe mich noch einmal um, blicke zurück, aber der Typ ist fort. Wahrscheinlich sehe ich auch nur Gespenster.

„Pia, mir tun jetzt echt die Füße weh und ich hab Hunger. Was hältst Du von…“ - „…Mäckes?“, beenden wir unisono die Frage. Oh ja, nichts wie hin! Es dauert nicht lang und auf unseren Tabletts stapeln sich Burger, Pommes und Getränke. In der oberen Etage ist Platz für uns, ächzend lasse ich mich auf den Sessel fallen und strecke die Beine vor mir aus. Leise lächle ich vor mich hin: Shoppen ist anstrengender als ein Marathonlauf. Eine Weile sitze ich müde und gedankenverloren da und stopfe Pommes in mich hinein. Pia beschäftigt sich mit der Verpackung ihres zweiten Burgers, als sie plötzlich aufmerkt und etwas hinter mir beobachtet. Ein Schatten, eine Bewegung neben mir. Ich erstarre vor Schreck: Da steht dieser Typ. Genau neben unserem Tisch.

Ich sehe die helle Jacke, eine verwaschene, aber gepflegte Jeans und Sportschuhe. Er ist nicht groß, vielleicht 1,80 m und schlank. Seine Haltung irritiert mich. Sie wirkt linkisch. Die Schultern hängen etwas nach vorn, überhaupt wirkt er gebeugt, wie unter einer Last. Die Arme baumeln immer noch links und rechts an seinem Körper herab, als gehörten sie nicht wirklich zu ihm. Er bewegt sich nicht. Er sieht mich nur an, sehr intensiv. Pia holt gerade Luft, ihr „Hey, verschw…“ kann ich gerade noch mit einer Handbewegung ersticken. Kurzes, strubbliges Haar in einem undefinierbaren Mittelbraun umrahmt sein Gesicht. Er ist ernst, wirkt aber keineswegs unfreundlich. Irgendetwas stimmt mit seinen Augen nicht. Ich kann es nicht greifen. Blau. Hell. Fragend. Er bewegt sich einfach nicht und verzieht auch keine Miene. Traurig. Ängstlich. Es passt einfach nicht zusammen. Es ist eine sehr seltsame Mischung: Er hat Augen wie ein naives Kind und wie ein großes, trauriges Tier zugleich.

„Guten Tag“, sagt er leise. „Es tut mir leid, wenn ich Sie störe.“ Ich grüße zurück, während Pia sich bewusst desinteressiert ihrem Burger widmet. „Darf ich Sie etwas fragen?“ „Klar…“ Er schweigt. Kleine Muskeln zucken in seinem Gesicht und ich sehe, dass er Mühe hat, seine Frage zu formulieren. „Die… Deine… Ihre….“ Er zögert, zwinkert nervös mit den Augen. Holt tief Luft. „Ihre Stiefel. Darf ich die bitte… darf ich sie anfassen?“ Pia hört auf zu kauen und holt empört Luft, wieder kann ich sie gerade noch bremsen. Er bemerkt es und zieht den Kopf ein, wohl in Angst, entweder ausgelacht oder mit Schimpf und Schande davongejagt zu werden. „Bitte…“, kommt es fast tonlos.

Habe ich jetzt richtig gehört? Es dauert einen Moment, bis ich seine Frage begriffen habe. Meine Buffalos, Allmächtiger! Ich kann es nicht glauben. Für diese Stiefel habe ich ein Vermögen ausgegeben, kniehoch sind sie, eng, schwarz und mit einem schmalen, hohen Absatz. Zu meinem schmal geschnittenen Rock wirken sie ausgesprochen sexy, und natürlich sind mir auch die Blicke mancher Passanten nicht entgangen. Aber das ist jetzt etwas anderes. Gedanken jagen durch mein Hirn. Er will sie anfassen?! Himmel, das ist einer von [i]diesen…[/i]. Das geht doch nicht! Hier mitten im Lokal? Die Leute werden gucken. Sie werden lachen. Das ist… peinlich, das ist… das traut der sich nie. Im Leben nicht! Wetten, das traut er sich nicht? Ich blicke zu Pia herüber. Sie guckt skeptisch, aber ein kaum sichtbares, verschmitztes Lächeln spielt um ihre Mundwinkel. Bestimmt denkt sie das Gleiche wie ich. Das traut er sich im Leben nicht!

Eine Ewigkeit vergeht. Mir klopft das Herz bis zum Hals. Da steht er immer noch vor mir mit seinen großen, traurigen Tieraugen und wartet ergeben auf meine Entscheidung. Ich strecke langsam die linke Hand aus, den Zeigefinger, und weise auf die Stelle vor mir auf dem Boden. Und ich traue meinen Augen nicht: Der Typ geht tatsächlich vor mir auf die Knie. Pia und mir bleibt der Mund offen stehen. Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie sie aufgehört hat zu essen, regungslos sitzt sie da, nicht registrierend, dass von ihrem Burger langsam Gurken und Zwiebeln rutschen und die Mayonnaise über ihre Finger läuft. Er beugt sich langsam vor, berührt meine Stiefelspitzen vorsichtig mit den Fingern, tastet sich vorwärts, streicht über das weiche, schwarze Leder. Seine Finger zittern leicht, als sie die hohen Absätze entlangfahren, langsam, behutsam, als wolle er jeden Zentimeter erspüren. Ich lasse ihn gewähren, verstehe ihn nicht, doch es berührt mich, dieses Wesen da unten, für einen Moment versunken in seiner ureigenen Welt.

Die Menschen gehen achtlos vorbei, bahnen sich mit ihren beladenen Tabletts einen Weg um seinen gebeugten Rücken, eine Frau stolpert fast über seine Füße, doch niemand schaut hin, niemand bemerkt die skurrile Szenerie. Wie in Zeitlupe verlegt der Mann vor mir sein Gewicht auf seine Unterarme. Seit Atem geht schneller, der Körper bebt wie unter einer großen Anspannung. Sanft, beinahe zärtlich umfasst er mit beiden Händen meine Knöchel. Ich sehe seine Lippen sich öffnen, er beugt das Gesicht über meine Stiefel – das geht eindeutig zu weit! Im ersten Erschrecken möchte ich die Füße wegziehen, bekomme mich aber doch unter Kontrolle. Es fasziniert mich, das Spiel; ich greife in sein Haar, ziehe den Kopf hoch. Blicke ihm tief in die Augen und versuche, so kontrolliert wie möglich zu klingen: „Das habe ich Dir nicht erlaubt“. Zarte Röte überzieht seine Wangen, er senkt den Blick, bewegt sich nicht, auch nicht, als ich ihn wieder freigebe, verharrt in dieser Haltung, den Körper auf die Ellenbogen gestützt.

Pia richtet sich auf, ein kleines Lächeln im Gesicht. Langsam schiebt sie ihren Sessel nach hinten, hebt einen Fuß an und platziert ihn auf dem Rücken des Mannes. Er zuckt zusammen, der Druck seiner Finger verstärkt sich kurz, aber dann hat er sich wieder im Griff. Der zweite Fuß, er wehrt sich nicht. Er seufzt nur leise und senkt den Kopf. Entspannt lehnt sich Pia zurück und nuckelt an ihrer Cola. Eine Gruppe Jugendlicher poltert die Treppe herauf, stoppt, lacht, versammelt sich um uns herum, um diese seltsame Szenerie. Ich höre sie tuscheln. „Ey, kuck mal, der!“ Leises Kichern. Ein Bursche kramt in seiner Hosentasche, sucht sein Handy. „Ich mach mal ein Foto!“ Ein Mädchen stößt ihm den Ellenbogen in die Rippen: „Hey, lass den Quatsch!“ Er steckt das Handy wieder ein, sieht auf uns herab und meint: „Krass.“

Wagt Euch! Angespannt beobachte ich die Gruppe Zuschauer, funkle sie zornig an, bereit, jedem ins Gesicht zu springen, der mir und dem vor mir knienden Mann auch nur einen Schritt zu nahe kommt. Zum Glück sind bald die Hamburger wichtiger, die Gruppe trollt sich davon. Pia nimmt die Füße von dem Rücken des Mannes. Er löst die Hände von meinen Stiefeln, richtet sich langsam auf. Sagt nichts. Blickt mich nur lange an, sehr intensiv. Aus seinen Augen ist das einsame Tier verschwunden. Da ist nur ein Leuchten und Strahlen, wie bei einem glücklichen, beschenkten Kind. Er holt Luft, um zu sprechen, aber ich wehre ab, will nichts hören, nichts wissen, ich will nur diesen einen Moment haben, ungestört, nur für mich. Ich genieße diese Augen, lächle zurück, dann hebe ich die linke Hand, entlasse den Mann mit einer knappen, aber nicht unfreundlichen Bewegung. Er versteht mich. Verbeugt sich noch einmal, dann steht er wortlos auf, dreht sich um und geht in Richtung Treppe. Aufrecht, mit straffen Schultern und beschwingten Schrittes. Selbst als er verschwunden ist, blicke ich noch lange hinterher.

„Pia, zum Teufel… was war das?“ „Weiß nicht“, antwortet sie, sich kalte Pommes in den Mund schiebend. Kaut, schluckt und meint dann: „Buffalo Bill?“ Und als ich sie mit großen Augen ansehe, grinst sie breit und fragt mich: “ZARA?!“ Ich klappe den Mund auf und wieder zu und schüttle nur noch mit dem Kopf.

© barefoot

Der Inhalt dieses Artikels gibt lediglich die Meinung und Ansicht des Autors wieder und muss mit der Meinung der Sklavenzentrale nicht unbedingt übereinstimmen.