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Vierzig Stunden. Ein Knastreport - SZN-245130
21.12.2011
ONLINE-MAGAZIN
Reportagen


40 Stunden. Ein Knastreport

KNAST... Ein Wort, das Assoziationen weckt, das Kopfkino zum Laufen bringt. Düstere Zellen mit kalten Pritschen, grimmige Wärter, schaler Fraß, aus Blechnäpfen zu sich genommen.

KNAST... Verhöre, grelle Lampen oder Dunkelhaft, und Strafen, natürlich…

KNAST... Ich musste es einfach wissen.


Oktober 2011. Wir sind dabei: Meine Lady als Wärterin, ich als Gefangene.

Ankunft am Freitagabend. Wir warten im Vorraum. Freudige Begrüßung mit Bekannten; gegenseitiges Abschätzen und Beobachten der „Ersttäter“. Nervosität wird mit dummen Sprüchen fortgewitzelt oder in sich hineingefressen. Unsere Wärter sind bereits im Keller verschwunden. Wir hören sie lachen und reden; verstehen können wir nichts. Die Spannung wächst.

Wir werden einzeln abgeholt. Unsere Partner, Freunde und Gefährten haben sich in Uniformierte verwandelt. Kein Name mehr, mit dem wir sie ansprechen dürfen; nur noch Rangordnung und Ma’am oder Sir. Und „Sie“. Es ist sehr ungewohnt. Aber auch spannend. Und um ehrlich zu sein: Ich liebe Frauen in Uniform.

Aus mir wird Nummer 2121. Ich gebe meine Privatsachen und meine Kleidung ab, muss duschen. Kalt, versteht sich. Ich werde gefilzt und medizinisch untersucht und bekomme dann meine Häftlingskleidung: Hose und Oberteil in schmeichelndem Guantanamo – Orange. Hinzu kommen Fußschellen, die ich die nächsten vierzig Stunden tragen werde. Dann bringt man mich in meine Zelle.

Meine neue Bleibe: Anderthalb auf zwei Meter Mauern und Betondecke. Ein Stockbett aus Eisen. Zwei Wolldecken auf einer schäbigen Matratze. Ein Pisseimer aus Blech. Das Gitter schließt sich, ich warte. Bekomme einen männlichen Zellengenossen. Und warte. Warten heißt nicht, bequem auf der Pritsche zu lümmeln. Warten heißt auch nicht, sich die Zeit mit Schwätzchen zu vertreiben. Warten heißt frei stehen, schweigen. Sonst nichts. Es wird kontrolliert.

Essen fassen. Trillerpfeifen schrecken mich auf, die Wachleute rattern mit Schlagstöcken an den Zellentüren. Wir bekommen Handschellen, treten einzeln hinaus, in Reih und Glied marschieren wir zu unserer Futterstelle. Das Essen ist – strange, ein einziges kulinarisches Kuriosum. Die Zusammenstellung ließe jeden durch die Kochprüfung sausen. Egal. Rein damit, zum Glück bin ich ein Allesfresser.

J., Wärter und begnadeter Musiker, hat sich eine Schikane für uns überlegt: Er will einen Knastchor aufbauen. Der Text ist ein Lobgesang auf die Wärter, die Melodie stammt ohne freundliche Genehmigung von Giuseppe V. Ich hatte tatsächlich wenigstens vorher geübt, mein Pferd kann davon berichten; es hat im Wald sehr unter meinen Sangeskünsten leiden müssen. Kurz und gut: Die ersten Versuche sind grauenvoll.

Dazwischen heißt es immer wieder warten. Mal im Stehen, mal dürfen wir liegen, aber warten. Aus dem Hintergrund ertönen zeitweise die Schreie glücklicher Gemarterter.

Ich habe ein paar Stunden geschlafen. Wie lange? Ich weiß es nicht. Wir haben keine Uhren; es gibt keine Fenster, durch die Licht fällt, so dass man etwas schätzen könnte. Meine Morgentoilette besteht aus Zähneputzen und in den Eimer pissen.

Frau Direktor und Drillinstructor Ma’am holen mich zum Verhör. Nein, ich habe keine Ahnung, warum ich hier bin. Nein, ich bezichtige niemanden der Lüge, es ist ein Justizirrtum. Nein, ich habe nichts geschmuggelt. Für jede falsche – nein egal, für jede Antwort bekomme ich Schläge. Nach meinem Namen gefragt, mache ich mich zum „Schützen Arsch“, und dann renne ich blindlings in mein Verderben: Frau Direktor fragt mich nach meiner Einheit. Klar, die kommt wie aus der Pistole geschossen. Und dann soll ich das wiederholen.

Ich habe von Militärdingen ungefähr so viel Ahnung wie ein Hund vom Volleyballspiel. Fakt ist: Ich bekomme es nicht mehr zusammen. Ich muss ein derart blödes Gesicht gemacht haben; jedenfalls brechen wir alle in Gelächter aus; ich kann mich bald nicht mehr halten. Die Situation ist so was von abstrus: Ich stehe da, kriege richtig Haue und lache mich dabei kaputt. Natürlich gestehe ich.

Übrigens, Knast ist wie Marathonlaufen. Schon allein die Zahlen ähneln sich – vierzig Stunden, etwas über vierzig Kilometer. Wohl dem, der gut vorbereitet an den Start geht, und wohl dem, der seinen Coach mit dabei hat. Die ersten zehn Kilometer sind ganz einfach. Die ersten zehn Stunden auch.

Apropos Laufen. Natürlich kommen wir auch um Sport nicht herum. Ein bisschen marschieren, laufen, Kniebeugen… man muss höllisch aufpassen, dass man nicht über die Ketten der Fußschellen stolpert.

Habe ich gesagt, dass man viel wartet? Langeweile kann grausam sein, zermürben; man steht oder liegt herum, die Zeit krabbelt langsam wie Kellerasseln die Zellenwände rauf und runter. Mein Zellennachbar bekommt zur Zerstreuung einen Holznapf und ein Stückchen Schleifpapier, und nun wird das Warten dreistimmig: Neben mir das chrr chrr chrr, etwas entfernt quietscht R., die gerade verhauen wird und über allem schwebt die Stimme von Till Lindemann.

Ab Kilometer zwanzig wird ein Marathon anstrengend, die Gliedmaßen tun langsam weh. Ab der Stunde zwanzig tun auch mir die Knochen weh, der Rücken knirscht dank der ungemütlichen Lager und die Fußschellen fangen an zu drücken. Außerdem würde ich gern mal duschen.

J. und C. holen mich aus der Zelle. Wieder ist Sport angesagt, diesmal Fußball. Ich bin der Ball. Ich liege bäuchlings und sie schlagen und treten mich, C. hockt über mir, fixiert mich und findet irgendwelche fiesen Nervenpunkte, um mir wehzutun. Gegen zwei Wärter gleichzeitig habe ich keine Chance, obwohl ich selbst viel Kraft habe; ich wehre mich, völlig sinnlos, sie schlagen mich weiter, sehr hart, und irgendwann macht es in meinem Kopf klack! – und es katapultiert mich heraus aus der ganzen Situation, ich vergesse, wo ich bin, vergesse, dass das zwei Menschen sind, die ich kenne, gern habe und denen ich vertraue, ich bin auf einmal nur noch Gefangene in irgend einem Unrechtsstaat, bin ganz in Guantanamo. Es setzt positive Aggressionen in mir frei, wie es wohl in einem Boxkampf passiert, und ich lasse alles aus mir heraus in einem Schrei, der die Wände wackeln lässt. Danach bin ich fix und fertig.

Ich schlafe wie ein Stein.

Habe ich erwähnt, dass Knast wie Marathonlaufen ist? Bis Kilometer 30 macht es das Training. Danach kommt es vor allem auf den Willen an. Nach dreißig Stunden Knast lässt ebenfalls die Kraft nach.

Ich breche ein. Es beginnt beim Essen: Mein Magen rebelliert auf einmal, ich kriege nichts mehr herunter, doch werde zum Glück nicht zum Aufessen gezwungen. Dann wird mir kalt, ich zittere hemmungslos, ein klares Zeichen nervlicher Überspannung. Ich will nur noch raus, will duschen, will Wärme, will Ruhe. Und ich will zu meiner Lady, die ich seit Stunden nicht mehr gesehen habe. Ich will endlich dieses Wort sagen dürfen, das den Spuk für mich beendet. R. versucht mich zu beruhigen, so richtig gelingt ihr das nicht, ich friere mehr, trotz weiterer Decken. Im Laufe der Nacht will auch sie hinschmeißen, sie bekommt plötzlich Angst im Dunklen, ein dritter hockt mit tierischen Kopfschmerzen in der Ecke, alles Ausfallerscheinungen.

Nach einem Gespräch unter vier Augen mit meiner Lady bin ich zurück im Rennen; wie gesagt: Wohl dem, der seinen Coach dabei hat.

Der nächste Morgen, so es denn einer ist: Ich bin müde und habe fürchterlichen Muskelkater, aber es macht wieder Spaß. Zum Frühstück gibt es Panzerplatten, R. sagt dazu „Atomkekse“, und nur diese. Das Gefühl ähnelt dem genüsslichen Herumkauen auf Dachpappe. Danach ist wieder Leibesertüchtigung angesagt, laufen, marschieren, Kniebeugen, auf den Knien durch die Halle rödeln, das Gesicht zum Boden. Ein Paar glänzender Stiefelspitzen kommt mir recht bekannt vor. Übermütig drücke ich einen Kuss drauf, kriege prompt einen Tritt in den Arsch und finde das sehr geil.

Ein Highlight des Knastes ist das Tribunal. Es gibt alles, was ein richtiger Unrechtsstaat braucht: Die Frau Staatsanwältin, einen obersten Richter und den Pflichtverteidiger, der so pflichtbesessen ist, dass seine Forderung für ein Strafmaß meist über dem der Anklage liegt. Oder er kommt gar nicht erst zu Wort. Der Versuch, mein unter Folter erzwungenes Geständnis unter Berufung auf die Genfer Konventionen zu widerrufen, erstickt in allgemeinem Gelächter. Im Gegenteil, man verurteilt mich zur „Prügelstrafe“. Ich schaffe es tatsächlich, mir ein erfreutes Grinsen zu verkneifen.

Der an- und abschließende Auftritt des Gefangenenchores hätte Giuseppe V. zwar in seinem Grabe rotieren lassen, aber angesichts der kurzen Probezeit klingt es dann doch ganz passabel. Meinem Pferd hätte es gefallen.

Sonntagmorgen. Frau Direktor verkündet die Generalamnestie. Wir haben es geschafft. Das orangefarbene Zeug fliegt in die Ecke, endlich duschen! Saubere Socken! Haare stylen, und wo zum Teufel ist mein Mascara? Ich will jetzt heim. Vielleicht noch zu McD****ds und dann ganz lange schlafen. Mindestens vierzig Stunden lang.

Ach übrigens, ich habe mir noch nach jedem Marathon geschworen, nie wieder zu laufen. Zwei Tage später hatte ich die nächste Anmeldung fertig. Ich will auch nie wieder in den Knast…



© Text:barefoot
© Foto:La Capitana

Der Inhalt dieses Artikels gibt lediglich die Meinung und Ansicht des Autors wieder und muss mit der Meinung der Sklavenzentrale nicht unbedingt übereinstimmen.